Mittwoch, 21. Oktober 2015

Flüchtlinge: Eine gute Regierung und die Flüchtlingsfrage

Das erste Argument eines typischen „besorgten Bürger“, der einen davon überzeugen will, dass Deutschland beziehungsweise Europa nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte, ist, dass es mit der Zahl der Flüchtlinge die schon hier sind, komplett überfordert sei. Um das zu untermauern entwirft er ein Horrorszenario, in dem sich mehrere Millionen Ausländer auf Kosten des Staates in Deutschland einnisten, die angeblich knappen Ressourcen aussaugen und die deutsche Kultur vernichten. 
Dieses Argument ist offensichtlich falsch. Die europäischen Staaten befinden sich noch lange nicht an den Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit.  Noch immer tragen einige wenige Staaten die Hauptlast der Flüchtlingskrise, während sich andere weigern sich aktiv an der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge zu beteiligen. Und selbst in Deutschland, das unzweifelhaft zu den Ländern gehört, die ein überdurchschnittliches Engagement für die Flüchtlinge zeigen, werden die Kosten der Flüchtlingskrise immer noch aus den begrenzten Mitteln der Kommunen und Länder gedeckt, der Bund, der derzeit mit den höchsten Steuereinnahmen seit Jahren rechnen kann und jährlich immer höhere Steuerüberschüsse einstreicht, beteiligt sich immer noch nur mit lumpigen drei Milliarden Euro. Sprich, nicht Deutschland oder Europa stößt so langsam an die Grenzen seiner Belastbarkeit, sondern die Länder und Kommunen, die mit den Kosten der Krise weitestgehend allein gelassen werden. Die Antwort darauf sollte keineswegs eine Abschottungspolitik sein, sondern eher eine verstärkte Beteiligung des Bundes und eine größere Solidarität zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten. 
Und auch die Ängste vor den kulturellen Belastungen durch die Flüchtlinge sind zu einem großen Teil aus irrationalen Vorurteilen gegenüber den Fremden gespeist. Davon einmal abgesehen, ist es in Deutschland schon öfter als einmal gelungen große Zahlen an Neuankömmlinge in die Gesellschaft zu integrieren. Man denke nur an die tausenden Vertriebenen nach dem zweiten Weltkrieg, die Flüchtlinge aus der DDR und die 2 Millionen Gastarbeiter, die in den sechziger Jahren zu uns kamen. Sie alle kamen aus unterschiedlichen Kulturen und sie alle stellten eine Bereicherung für die deutsche Kultur dar. Außerdem werden ja nicht alle Flüchtlinge bleiben, zahlreiche kommen nicht aus den Bürgerkriegsstaaten im Nahen Osten, sondern aus dem Balkan und haben daher kein Recht auf Asyl in Deutschland. Und selbst von den Syrern, die gute Chancen haben als Asylberechtigte anerkannt zu werden, wollen laut Studien nur 8% auf Dauer in Deutschland bleiben. Die Übrigen planen, sobald es die politische Lage in ihrem Heimatland zulässt, wieder heim zu kehren. 
Niemand kann oder will bestreiten, dass die Integration der Flüchtlinge, die sich tatsächlich als Zuwanderer entpuppen, kompliziert werden kann und dabei einige Probleme auftreten werden, aber ein Ding der Unmöglichkeit ist es nicht. 

Wenn der „besorgte Bürger“ dies erkannt hat, wird er als nächstes Anführen, dass, auch wenn es für Deutschland und Europa nicht unmöglich sei mehr Flüchtlinge aufzunehmen, keine Verpflichtung besteht die Flüchtlinge willkommen zu heißen. Er wird behaupten, dass sich eine gute deutsche Regierung zu erst um die Deutschen kümmern sollte und wird zahlreiche soziale Probleme in Deutschland aufzählen, die seiner Meinung nach wichtiger sind, als das Retten von Menschenleben, womit er quasi den alten Slogan der NPD „Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“ aufgreift. 
Doch, einmal ganz davon abgesehen, dass wir sehr wohl eine moralische Pflicht haben, Menschen in Lebensgefahr aufzunehmen, hat er hier noch einmal Unrecht. Denn gerade das sie Menschen in Not, egal woher sie kommen und von wem sie abstammen, hilft, zeichnet eine gute Regierung aus. Wenn man sich überlegt, warum das so ist, muss man sich erst einmal klar werden, was eine gute Regierung ausmacht. Die Väter der Amerikanischen Verfasser hatten darauf eine klare Antwort: Eine gute Regierung ist eine Regierung die die Rechte der Menschen, die sich in ihrem Einflussgebiet gewährleistet. Und nach internationalem, supranationalem und nationalem Recht hat jeder Mensch auf der Welt das grundlegende Recht auf Leben in Würde. Würde unsere Regierung nun also die Menschen die mit der Absicht ihr Leben zu retten, nach Deutschland kommen, abweisen, sie zurückschicken und damit nicht verhindern, dass ihnen, dort wo sie herkommen, das Leben genommen werden könnte, würde sie dieses Grundrecht, aus dem sich alle anderen Rechte ableiten, missachten. 


Wollen wir eine Regierung die die Rechte von Menschen missachtet, obwohl es für sie möglich wäre, diese Rechte zu gewährleisten? Doch wohl er nicht. Wir wollen den Rechtsstaat erhalten. Und daher sollten wir uns auch nicht dagegen sträuben weitere Flüchtlinge aufzunehmen, auch wenn es dauerhaft natürlich sinnvoller ist, die Wurzeln der Probleme, vor denen die Menschen fliehen, zu beseitigen. 

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