Freitag, 18. September 2015

Demokratie: Wer ist das Volk?

Ich will einmal so anfangen, wie meine rechts-konservativen Kollegen: Etwas stimmt nicht mit unserer Gesellschaft. Unserer Gesellschaft, die, die alten Werte hochhaltend, verbittert gegen den unzumutbaren Lärm kämpft, den Kindergärten in Wohnvierteln verursachen, die, unter der Flagge der Toleranz vereint, alle Kräfte gegen die Islamisierung des Abendlandes zusammenzieht, die, die freie Entwicklung des Individuums beschwörend, von allen Menschen fordert, sich in Büros selbstlos zu Tode zu arbeiten. Und dann noch alle schief ansieht, die sich nicht ihren sinnlosen Kämpfen anschließen wollen.

Um das zu erkennen muss man nicht lange nachgrübeln. Doch was genau fehlt der Gesellschaft? Was genau bewirkt, dass Tausende bei Veranstaltungen wie PEGIDA oder HogeSa mitlaufen, aber keiner danach fragt wie es den Muslimen in Deutschland geht oder warum sich junge Radikalisierte dem Dschihad anschließen? Wieso beschäftigen sich in Deutschland Menschen damit, dass das Ampel Männchen durch ein Ampel Weibchen ersetzt werden sollte, anstatt darüber nach zu denken, warum Menschen die aus gewissen Milieus stammen in unserem Erziehungssystem kaum eine Chance auf einen gesellschaftlichen Aufstieg haben. Kurz gesagt: Weshalb ist in Deutschland der Spießer, der Egomane, der Nein-Sager, der Phobieker auf dem Vormarsch?

Ein Grund ist sicher auch ein falsches Demokratie Verständnis. Wann immer versucht wird eine Minderheit, seien es Muslime, Kindergärten oder Asylanten, anzugreifen, wird damit argumentiert, dass man doch die Mehrheit sei. Warum sollte sich die Mehrheit in einer Demokratie, den Wünschen einer Minderheit unterwerfen. Warum sollte sie es erdulden, dass auf öffentlichen Grund und unterstützt mit ihrem Steuergeld eine Moschee gebaut wird, von der sie doch gar nichts hat? Warum sollte sie die Schreie lärmender Kinder aus dem Kindergarten nebenan erdulden, wo sie doch gar keine Kinder hat. Warum sollte sie zulassen, dass mit ihren Steuergeldern Flüchtlinge und Asylbewerber versorgt und untergebracht werden, wo sie doch selber noch Wünsche hat. Warum sollte sie es erdulden, dass in einem Staat, der ja von ihr beherrscht wird, die Bedürfnisse von Minderheiten über ihre eigenen Wünsche gestellt wird.

Doch anzunehmen, dass in einer Demokratie, also in einem Staat in dem die Regierung zum regieren die Zustimmung der Mehrheit benötigt, die Wünsche dieser Mehrheit vorgehen ist grundverkehrt. Eine Demokratie ist eben nicht, wie viele, die Politiker gerne mal als Volksverräter betiteln, annehmen, die Herrschaft der Mehrheit, ja die Diktatur der Mehrheit, nein, sie ist die Herrschaft des Volkes. Und zum Volk gehören nun mal auch Minderheiten. Auch Muslime, Kindergartenkinder und Asylsuchende gehören zum Volk. Mehrheit ist nicht gleich Volk, wie die Parole der Montags-Demonstranten „Wir sind das Volk“ suggeriert, sondern alle Bewohner Deutschlands gehören zum Volk, jeder ist das Volk.

Und so ist es die Aufgabe der Regierung in einer Demokratie zum Wohle des Deutschen Volkes zu handeln und das heißt auch manchmal, dass die Bedürfnisse einer Minderheit über die Wünsche der Mehrheit gestellt werden müssen, auch wenn das für manche Menschen, die sich selbst als Mehrheit sehen, schwer zu verstehen ist. 

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